This forum contains results from the eponymous seminar from WS2011/2012. Each work from the students contains a summary of their results and the presentations attached (partly in German Language).
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Oli
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Hintergründe des 3D im Kino

Post by Oli » 09.04.2012, 07:44

Hintergründe des 3D im Kino

1 Einführung
Stereoskopische 3D-Filme sind keine neue Erscheinung im Kino. Es gibt sie schon seit den 1950er Jahren. Hitchcocks »Bei Anruf Mord« wurde beispielsweise in 3D gedreht - und das schon 1954! Dennoch war das 3D im Kino nie so relevant wie heute. In den letzten Jahren hat es eine wahre Rennaissance erlebt: 2011 gab es 70 Kinofilme in 3D - fast 12-mal so viele wie noch 2005. Vor allem durch die Digitaltechnik, die in dieser Zeit in den Kinos Einzug hielt, ist nun die Präzision gegeben, die man für die Wiedergabe von stereoskopischen Filmen benötigt. Dadurch war die technische Grundlage gelegt.
Doch es ist nicht nur die Technik, die die aktuelle Welle an 3D-Filmen erklärt. Es spielen auch eine Reihe von anderen Faktoren eine Rolle, auf die in dieser Ausarbeitung eingegangen wird. Außerdem wird betrachtet, wie diese Entwicklung von verschiedenen Standpunkten aus aufgefasst wird, sodass schließlich die Frage geklärt werden kann: Ist 3D diesmal hier, um zu bleiben?

Abb. 1: Anzahl der 3D-Filme von 1952 bis heute. Die 3D-Welle in den 50ern ist deutlich zu erkennen. Eine weitere 3D-Welle gab es in den 80ern. Ein bekannter 3D-Film aus den 80ern war »Captain EO« mit Michael Jackson. Doch die 3D-Welle, die Anfang dieses Jahrhunderts beginnt, übersteigt bei weitem die vorherigen.

Datenquelle: List of 3-D films, Wikipedia



2 Wahrnehmung bei Zuschauern und Kritikern
3D-Filme werden bei Zuschauern und Kritikern ganz unterschiedlich wahrgenommen. Im Publikationswesen überwiegt jedoch die Ansicht, dass 3D-Filme etwas schlechtes sind. Es werden verschiedene Gründe dafür genannt:

2.1 Technische Beschränkungen
Störfaktor: Man braucht eine Brille, um 3D-Filme sehen zu können. Das ist momentan noch ein notwendiger Zusatz. Sie wird im Allgemeinen als lästig empfunden, wodurch 2D-Filme im Vergleich bequemer und natürlicher wirken, da man nicht auf zusätzliches Equipment angewiesen ist, um sie sehen zu können.
Mangelhaftes Bild: Das Bild ist wegen der 3D-Brille dunkler. Zum Ausgleich werden 3D-Filme aufgehellt, dennoch ist bspw. Weiß niemals ganz Weiß. Außerdem hat das Bild eine niedrigere Auflösung als 2D-Filme, wenn im Kino Polarisationstechnik eingesetzt wird. Das liegt daran, dass beide Bilder - sowohl für das rechte als auch linke Auge - sich auf ein und demselben Frame im Kinofilm befinden und am Projektor mit einer speziellen Doppellinse wieder geteilt werden und zusammen auf die Leinwand geworfen werden. Das bedeutet, ein 4K-Prokektor kann einen 2D-Film tatsächlich in 4K abspielen, ein 3D-Film jedoch nur in 2K. Ein Ausweg ist die Shuttertechnik, da hier die Bilder für das rechte und linke Auge nicht gleichzeitig, sondern nacheinander auf die Leinwand geworfen werden.

2.2 Gesundheitliche Bedenken
Risiken und Nebenwirkungen: Mehrere Studien haben gezeigt, dass bei manchen Zuschauern während oder nach dem Ansehen eines 3D-Films Übelkeit, Schwindelgefühl, Sehtrübung, Kopfschmerzen oder Probleme mit dem räumlichen Sehen auftraten. Einer nicht-repräsentativen Umfrage der »American Optometric Association« zufolge leiden etwa 25% aller Amerikaner an solchen Auswirkungen. Auch Hersteller von 3D-Fernsehgeräten führen derlei Untersuchungen durch. »Samsung« legt seinen Geräten einen Warnhinweis bei, der auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen aufmerksam macht.
Prinzipiell schädlich: Neben möglichen gesundheitlichen Nebenwirkungen gibt es die These, dass das menschliche Sehen generell nicht dazu fähig ist, dreidimensionales auf einer Leinwand zu sehen. Sie geht auf »Walter Murch« zurück und ist von Roger Ebert, einem erklärten 3D-Kritiker, verbreitet worden. Kern der These ist, dass der Fokalabstand, die Brennweite unserer Augen, und der Vergenzabstand unterschiedlich sind: Die Entfernung zwischen Zuschauer und Kinoleinwand ist im ganzen Film über dieselbe. Die Augen des Zuschauers müssen sich somit die ganze Zeit über auf ein- und dieselbe Ebene fokussieren. Die Elemente im Film, die durch den 3D-Effekt in ihrer Tiefenwirkung verändert sind, liegen aber nicht auf der Ebene der Kinoleinwand. Sie liegen vor oder hinter ihr. Das bedeutet, dass die Augen auf einen Abstand scharfstellen müssen (Fokalabstand), aber sich einem anderen Abstand anpassen müssen (Vergenzabstand). Auf unterschiedliche Fokal- und Vergenzabstände ist unser Auge und unser Gehirn nicht ausgelegt. Bisher waren diese Abstände immer gleich.

Abb. 2: Das angebliche, unlösbare Dilemma mit stereoskopischem 3D: Die Augenneigung visiert die illusionierte Tiefenebene an, während die Pupille auf die Leinwand fokussiert. Zwei verschiedene Bezugsebenen. die in einem vermeintlichen Konflikt stehen, der laut Walter Murch die stereoskopische 3D-Technologie prinzipiell hinfällig macht.

2.3 Finanzielle Gründe
Höhere Preise: Allgemein sind die Kartenpreise für 3D-Filme teurer als die für 2D-Filme. Das liegt zum einen daran, dass 3D-Filme auch in der Produktion mehr kosten als 2D-Filme, da sie technisch aufwändiger sind. Denoch nimmt der Kinobesucher diese Mehrkosten negativ wahr und findet die Preise ungerechtfertigt.
Profitgier: Manche Kritiker sind der Meinung, stereoskopisches 3D wäre bloß eine neue Strategie, um alte Technik obsolet zu machen. Die Projektoren, um die Filme abzuspielen kosten sehr viel Geld. Es entsteht ein großes Geschäft, allein mit dem Verkauf des nötigen technischen Equipments an Kinos.
Alleinstellungsmerkmal: Wann immer sich Hollywood bedroht fühlte, hat es sich einer neuen Technologie zugewandt. Beispiel Stummfilm: Die Zuschauerzahlen stagnierten, das Radio machte dem Stummfilm Konkurrenz. Ein idealer Nährboden für die Einführung des Tonfilms. Beispiel Farbfilm: Das Fernsehen war auf einem Erfolgskurs und bot nahezu ein Kinoerlebnis. Das Kino grenzte sich ab, indem fortan alle Filme in Technicolor produziert wurden. So ging es weiter mit dem Breitbildformat, Stereo und Surround Sound. Innerhalb des letzten Jahrzehnts ist das Kinoerlebnis dank Home Cinema Systeme mehr und mehr in die privaten Wohnzimmer abgewandert. Außerdem schauen immer mehr Menschen Filme illegal im Internet. Das Kino ist wieder in Zugzwang und will um die Gunst der Zuschauerschaft buhlen. Da kommen stereoskopische Filme gerade recht.


2.4 Kunst
Unnötig: Tiefenunschärfe, Perspektive, Schatten, Bewegungen innerhalb des Raums,... es gibt bereits viele Tiefeninformationen in einem Bild. Tiefeninformationen, die über die Stereoskopie kommen, sind nicht mehr notwendig.
Wirkungslos: Viele Kritiker meinen, dass der 3D-Effekt im Film keinen Mehrwert bietet. Ob 3D oder nicht, für das Filmerlebnis macht das keinen Unterschied.
Ablenkend: Wenn 3D schlecht gemacht ist, fällt das auf und lenkt vom Film ab.
Nur für Unterhaltung: Laut Roger Ebert ist 3D nur für spaßige Filme geeignet, da es seine Wurzeln in Effekthascherei hat, beispielsweise als Attraktion in Freizeitparks oder als technische Spielerei für IMAX Filme. Die Vorstellung von ernsten Filmen in 3D wirkt für Ebert eher lachhaft.
Aufwertung: 3D-Filme ziehen mehr Zuschauer an als ihre 2D-Pendants. Das hat vermutlich auch mit ihrem Alleinstellungsmerkmal zu tun (s. 2.3). Allein deswegen, meinen einige Kritiker, werden manche 2D-Filme nachträglich in 3D konvertiert. Beispielsweise »Clash of the Titans«, ein Film, der in 2D gedreht und anschließend in 3D konvertiert wurde. Obwohl er überwiegend schlechte Kritiken erhielt, zählte der Film so viele Zuschauer, dass er inzwischen zu den 100 kommerziell erfolgreichsten Filmen aller Zeiten weltweit zählt. Wenn ein Film ansonsten wenig gefragt ist, sorgt das 3D für die Attraktivität und die Anziehung der Zuschauer.
When a bad movie makes obscene amounts of money off a gimmick, it becomes easier to justify the creation of films with more dimensions and less depth.
»The Trouble With 3D: Why Hollywood‘s Savior Could Be Bad For Movies«, Josh Tyler, cinemablend.com
3 3D aus Sicht von Filmemachern und Studios
Doch neben all diesen Kritikpunkten gibt es auch eine andere Sichtweise auf 3D-Kinofilme: Von 2005 bis 2011 ist die Zahl der stereoskopisch gedrehten Kinofilme um rund 760% gestiegen. Das 3D-Kino boomt. Dafür gibt es Gründe.
Teilweise werden die von Kritikern angeführten Bemängelungen am 3D-Film von Regisseuren und Filmproduzenten ganz anders beurteilt. Für eine ausgewogene Beurteilung ist es von Vorteil, sich das Thema aus beiden Perspektiven anzusehen.

3.1 Stereoskopie im Film: Unnötig?
Welchen Zweck erfüllt die stereoskopische Darstellung von Kinofilmen überhaupt? Sie zeigt ein Bild aus zwei verschiedenen Perspektiven und emuliert damit das menschliche Sehen. Im Gegensatz zur monoskopischen Präsentation, enthält die stereoskopische Tiefeninformationen über die im Bild gezeigten Objekte.
Roger Ebert mahnte an, dass diese Tiefeninformationen unnötig seien, da bereits durch Perspektive Tiefe im Bild enthalten sei.
Tiefe ins Bild zu bringen gehört zum Handwerk professioneller Filmemacher. Perspektive, perspektivische Bewegung und unterschiedliche Tiefenschärfe sind Mittel dazu. Auch ist es Praxis, Filmsets mit künstlichem Nebel zu verhüllen, um den Vordergrund vom vernebelten und somit farblich weniger gesättigten Hintergrund abzuheben, und infolgedessen durch Kontrastunterschiede die räumliche Tiefe auszudrücken. Es werden also laufend neue Methoden gesucht, um Räumlichkeit in die zweidimensionale Kinoleinwand zu bringen. Die stereoskopische Darstellung wäre eine weitere Möglichkeit, die sich grundlegend von den bisherigen Methoden unterscheidet, da sie nicht wie die anderen Teil der Bildkomposition ist.
Die Darstellung von Tiefeninformationen wird stetig angestrebt. Die Technik der Stereoskopie bietet ein weiteres Verfahren, um diese Nachfrage zu befriedigen. Aus Sicht der Filmmacher ist sie somit nützlich und nicht unnötig.

Abb. 3: Oben: Ein Bild mit vier beschrifteten Flächen, ohne Perspektive, Tiefenunschärfe, Überlappungen, Helligkeits- oder Kontrastunterschiede in monoskopischer Darstellung. Unten: Dasselbe Bild in anaglyphischem 3D. Während sich die vier Flächen im Bild darüber auf einer Ebene befinden, sind im Bild darunter durch die stereoskopische Darstellung Tiefeninformationen enthalten.

3.2 Wie viel ist Kunst? Wie viel ist Kommerz?
3D-Filme sind an den Kinokassen teurer als ihre 2D-Gegenstücke, wodurch sie allgemein höhere Einspielergebnisse erzielten. Da wundert es nicht, dass die 3D-Filme aus den letzten Jahren zu den kommerziell erfolgreichsten Filmen aller Zeiten zählen (s. Tabelle rechts).
Kritker klagen dies an und bezeichnen die hohe Preise als Geldmacherei (s. 2.3). Die Filmstudios hingegen begrüßen die höheren Gewinne. Obwohl eine 3D-Filmproduktion oder eine 2D-zu-3D-Konvertierung teuer ist, lohnen sich die Mehrkosten aufgrund der viel höheren Einnahmen.

Abb. 4: Die 10 kommerziell erfolgreichsten Filme aller Zeiten, Stand: April 2012, Quelle: BoxOfficeMojo.com. Die Einspielergebnisse sind in Millionen Dollar angegeben. In gelb hinterlegt: Filme, die in 3D neuveröffentlicht wurden. In blau hinterlegt: Filme, die bisher ausschließlich in 2D veröffentlicht wurden. Es fällt auf, dass die überwiegende Mehrzahl der Filme in 3D veröffentlicht oder neuveröffentlicht worden sind. Das spricht für den kommerziellen Erfolg von 3D-Filmen. Anzumerken ist, dass vom Einspielergebnis nicht auf die Besucherzahlen geschlossen werden kann. Bspw. hat Avatar höhere Gewinne als Titanic eingefahren, jedoch geringere Besucherzahlen erzielt.

3.2.1 3D als Erzeuger von Mehreinnahmen
Das führt dazu, dass die Studios sogar ohne Einwilligung der Regisseure Filme in 3D konvertieren lassen: »My friend Michael Apted just did a Narnia picture, and he was very upset that they insisted that his finished film be turned into 3D, because he had no intention when he was making it of doing it. He said, ›if I was gonna’ do a 3D movie, I would have done it differently‹.«, Joe Dante über Michael Apted und seinen 2010 erschienenen Film »Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte«.
In solchen Fällen entscheiden die Studios über den Kopf des Regisseurs hinweg und setzen den 3D-Effekt als Mittel zur Gewinnmaximierung ein, nicht als Teil des künstlerischen Konzepts des Films.
»After Toy Story, there were 10 really bad CG movies because everybody thought the success of that film was CG and not great characters that were beautifully designed and heartwarming. Now, you’ve got people quickly converting movies from 2D to 3D, which is not what we did. They’re expecting the same result, when in fact they will probably work against the adoption of 3D because they’ll be putting out an inferior product.«, James Cameron über die Praktiken der Filmstudios, 2D-Filme in qualitativ minderwertiges 3D zu konvertieren.
Abgesehen von Filmen, die vor ihrer Veröffentlichung in 3D konvertiert werden, um von der momentanen 3D-Begeisterung zu profitieren, gibt es auch Filme, die bereits veröffentlicht worden sind, und nun in einer 3D-Version erneut veröffentlicht werden. Als Beispiel seien hier »Der König der Löwen«, der 1994 in die Kinos kam und im August 2011 in 3D neuveröffentlicht wurde, »Titanic«, das 1997 erschien und im April 2012 als 3D-Version herauskam, und »Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung«, die erstmals 1999 in 2D und im Februar 2012 in 3D erneut auf den Markt kam. In all diesen Fällen sind die Filme ursprünglich nicht für eine stereoskopische Darstellung konzipiert worden. Es ist davon auszugehen, dass auch bei solchen Neuveröffentlichungen gewinnorientiertes Denken der Produzenten über künstlerische Anliegen der Regisseure gestellt wird. Die Gewinne, die durch diese Neuveröffentlichungen entstehen, sind beachtlich. Bspw. generierte »Der König der Löwen« in der 3D-Version $170.659.614 und damit mehr als ein Fünftel seines ursprünglichen Einspielergebnisses von $783.841.776 (Angaben sind nicht inflationsbereinigt).

3.2.2 3D im Kunstfilm
Gegenüber der Stereoskopie als Mittel der Gewinnmaximierung gibt es jedoch auch Regisseure, die 3D als essentiell für ihre Filme betrachten.
Am besten kann dies am Beispiel von »Pina« gezeigt werden. Diese Tanzfilm-Dokumentation ist von Regisseur Wim Wenders, der für seine Autorenfilme bekannt ist. Er lehrt an der »Hochschule für Bildende Künste« in Hamburg und hat sich durch diverse bedeutende Auszeichnungen als prominenter Vertreter des europäischen Avantgardefilms profiliert.
In »Pina« setzt er 3D bewusst ein: »Und ich habe nach Mitteln gesucht: Handkamera, Krankamera, Steadycam - aber alles, was ich kannte und konnte, war nicht gut genug, irgendetwas fehlte. Und erst 2007, als ich den ersten, noch ziemlich rudimentären 3D-Film gesehen hab - U2 in 3D - wusste ich: Es gibt eine Tür in das Königreich der Tänzer. Und auch, wenn der Technik zu Anfang noch vieles fehlte, wusste ich: Mit dem, was 3D mal können wird, kann es funktionieren. Und ab diesem Moment begannen wir, konkret zu planen, und legten den Dreh auf den Herbst 2009 fest.
[...] Im Moment wäre es schwer für mich, davon wieder runterzukommen. Ich kann mir kaum vorstellen, zum 2D-Film zurückzugehen. Und wenn ich von ›zurückgehen‹ spreche, ist das eigentlich schon eine Antwort. [...] Jetzt wieder einen Film für die flache Leinwand zu machen, ist nur schwer vorstellbar.«, Wim Wenders über den Einsatz von 3D-Technik für »Pina«.
Auch der 2010 erschienene Dokumentarfilm »Die Höhle der vergessenen Träume« von Werner Herzog, ebenfalls ein bedeutender deutscher Autorenfilmer, wurde in 3D gedreht. Es ist ein Film über die Malereien in der Chauvet-Höhle in Südfrankreich. Für die Entscheidung, ihn in 3D zu drehen, waren ebenfalls künstlerische Aspekte ausschlaggebend: »Werner believes that 3D is a gimmick of the commercial cinema. Usually they use it as an effect to attract the audience, like spears coming out of the screen or weapons reaching out in to the audience. We didn’t want to use those effects, but actually to capture the surface of the paintings, the reliefs and the three dimensional structure of the walls on which the animals are painted. 3D is a demanding tool to capture the art.
[...] after Werner had visited [the cave] the first time and shot with a tiny little camera he immediately realised that this project is a 3D project. It is the only way to capture this wonderful art.«, Peter Zeitlinger, verantwortlich für die Kameraführung bei »Die Höhle der vergessenen Träume«, über Werner Herzog.
Bei beiden Filmen ist 3D Teil des künstlerischen Konzepts und kein Instrument, um aus dem 3D-Momentum Profit zu schlagen. Es entkräftet noch einmal den Kritikpunkt, 3D sei unnötig, da bei diesen Filmen 3D als substanziell für die Realisierung betrachtet wurde. Außerdem zeigen sie einen alternativen Einsatz – den Gebrauch von 3D im Kunstfilm, der weniger stark auf den kommerziellen und den Vermarktungsaspekt konzentriert ist als die Großproduktionen, die 3D üblicherweise einsetzen. Dadurch sind die Filme auch ein Argument gegen Roger Eberts These, 3D könne nur für Unterhaltungsfilme verwendet werden (s. 2.4).

3.3 3D als Angstreaktion auf Piraterie
Die Filmwirtschaft fühlt sich durch Raubkopien bedroht, die besonders über das Internet starke Verbreitung finden. Sie investiert viel Geld in den Schutz ihrer Filme (DRM-Systeme), die Bekämpfung von Piraterie (bspw. Schließung von illegalen Video-on-Demand-Webseiten wie kino.to oder Megaupload) und in Lobbyarbeit (91 Millionen Dollar haben Studio-Manager für Lobbyarbeit für SOPA ausgegeben).
Laut Aussagen der MPAA, der Motion Picture Association of America, einer Selbstorganisation der US-amerikanischen Filmproduzenten und -verleiher, verliert die amerikanische Filmindustrie bis zu 58 Milliarden Dollar jährlich aufgrund von Internetpiraterie. Diese Zahl, die die MPAA im Dezember 2011 in einer Pressemitteilung zur Unterstützung des »Stop Online Piracy Acts« veröffentlichte, geht zurück auf eine Studie, die von LEK Consulting für die MPAA durchgeführt wurde, und die zu dem Ergebnis kam, dass die US-Filmindustrie im Jahr 2005 6,1 Milliarden Dollar verlor.
Wie hoch die finanziellen Verluste durch Internetpiraterie für die Filmwirtschaft wirklich sind, ist nicht genau zu sagen, da all diese Zahlen politisch motivierte Übertreibungen enthalten. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Filmbranche weltweit tatsächlich Verluste in Milliardenhöhe einfährt, was ihr Engagement im Kampf gegen die Verbreitung von Raubkopien erklärt.
Die Durchsetzung der 3D-Technologie im Kino in den letzten Jahren kann als weiterer Schritt in diesem Kampf angesehen werden. Im Gegensatz zu 2D-Filmen können von 3D-Filmen nur schwerlich 3D-Bootlegs, also nicht autorisierte Mitschnitte, erstellt werden. Wird die Kinoleinwand mit einer Videokamera abgefilmt, entsteht nur eine 2D-Version des 3D-Films. Selbst wenn zwei Kameras eingesetzt werden, vor deren Linsen entsprechende Filter gesetzt sind, um die unterschiedlichen stereoskopischen Halbbilder einzufangen, ist das daraus resultierende 3D-Material qualitativ schlechter als das 3D-Original. Während mindere Qualität beim Betrachten von 2D-Schwarzkopien vom Gehirn noch ausgeglichen werden kann, führt sie bei 3D-Material verstärkt zu den in 2.2 beschriebenen gesundheitlichen Auswirkungen wie Kopfschmerzen und Übelkeit. Auch sind die Bildschirme, um 3D anzusehen, noch nicht dermaßen verbreitet. Wer einen Film in 3D sehen will, ist somit gewissermaßen angewiesen auf das 3D-Original im Kino.
Dadurch hat sich die Filmbranche nicht nur ein wirksames Instrument gegen Raubkopien geschaffen, sondern ebenfalls gegen Heimkinosysteme, die durch ihre starke Verbreitung in den letzten Jahren dem Kino ebenfalls Kunkurrenz machten.
Mit dem Verkauf von 3D-Projektorsystemen an Kinos und 3D-Fernseher für Privathaushalte ist außerdem eine weitere Einnahmequelle geschaffen worden, die zum Teil sogar den Filme produzierenden Unternehmen ebenfalls zugute kommt (Bspw. Sony, die 3D-Projektorsysteme sowie 3D-Fernseher vertreiben und über »Sony Pictures Entertainment« 3D-Filme produzieren).
Somit sind die Kritikpunkte, 3D sei eine Technologie, um dem Kino ein neues Alleinstellungsmerkmal zu verleihen und alte Technik obsolet zu machen, durchaus valide, obgleich dies nicht die einzigen oder die entscheidenden Gründe für den aktuellen 3D-Enthusiasmus sind.

3.4 Nötige Qualität erst durch Digitaltechnik möglich
Schon zwischen 1952 und 1954 gab es eine Welle an 3D-Filmen im Kino (s. 1). Nach der anfänglichen Begeisterung ist die Welle wieder abgeebbt. Nun wiederholt sich die Geschichte und es gibt eine neue Welle an 3D-Filmen im Kino. Welche Gründe sind dieses Mal dafür ausschlaggebend?
Der Wunsch nach stereoskopischen Filmen war auf Seiten der Regisseure schon immer gegeben (s. 3.1). Damit sind auch die 3D-Filme anfang der 1950er zu erklären.
Shooting »The Hobbit« in 3D is a dream come true. If I had the ability to shoot »The Lord of the Rings« in 3D I certainly would have done it.
Peter Jackson in »Production Video #4«, thehobbitblog.com
Der Grund, weshalb die erste 3D-Blütezeit vor 60 Jahren so schnell versiegte, hat primär mit Mängeln der damaligen Technik zu tun. Die damals verwendete analoge Kinotechnik hatte nicht die Präzision, die für stereoskopisches Kino notwendig ist. Es wurden zwei Projektoren benötigt, die mit zwei Filmrollen bestückt wurden (eine Filmrolle je stereoskopischem Halbbild). Die Projektoren mussten genauestens synchronisiert sein. Fehler, wie Staub, Kratzer oder Risse auf einer Filmrolle oder das geringe auf- und ab-›hüpfen‹ des Bildes beim Abspielen, machten das Ansehen des Filmes anstrengend und verursachte Kopfschmerzen.
Außerdem war das Präsentationsverfahren für die Kinos teuer und aufwändig, da zwei Filmrollen, sowie zwei Projektoren gebraucht wurden, die synchron gesteuert werden mussten.
All diese Probleme sind mit der jetzigen digitalen 3D-Technik gelöst. Es wird nur noch ein Projektor benötigt, wodurch keine Synchronisationsprobleme mehr entstehen können. Außerdem sind 3D-Vorführungen für ein Kino dadurch genau so kostenintensiv wie 2D-Vorführungen. Das Bild ist außerdem nicht mehr unruhig und Fehler wie Staub, Kratzer und Risse gibt es ebenfalls nicht mehr, da nicht mehr Film als Trägermaterial für die Bilder verwendet wird.

3.5 Die Rolle von »Avatar« für die derzeitige Hochzeit von 3D-Filmen
Im Jahr 2008 gab es 22 Kinos in Deutschland, die 3D-Filme vorführen konnten. Durch den kommerziellen Erfolg von einigen 3D-Filmen in den USA, allen voran »Hannah Montana & Miley Cyrus: Best of Both Worlds Concert 3D«, zeichnete sich bereits eine Entwicklung in Richtung 3D-Film ab. Pixar und Dreamworks gaben bekannt, ihre Filme nur noch stereoskopisch zu produzieren.
Durch »Avatar« gab es ein großes Kinoereignis, das eine Art Stichtag markierte, zu dem viele Kinos auf 3D-Technik umgerüstet haben wollten. Bspw. stattete Sony 2009 in Deutschland 56 Cinemaxx-Kinos mit 3D-Technik aus. Die Zahl der Kinos, die 3D wiedergeben konnten, vervielfachte sich damit in einem kurzen Zeitraum. Die Basis für eine neue Blütezeit des 3D-Kinos war damit gegeben.
Inzwischen (Stand: April 2012) gibt es 667 Kinos in Deutschland, die 3D-Filme vorführen können, und somit mehr als 30-mal so viele wie noch 2008.
»Avatar« ist dadurch mitverantwortlich für die aktuelle Welle an 3D-Filmen. Außerdem wird »Avatar« oft als Positivbeispiel genannt für Filme, in denen der 3D-Effekt richtig eingesetzt wurde.
James Cameron, Produzent und Regisseur von »Avatar«, verleiht über die »Cameron Pace Group« außerdem 3D-Produktionstechnologie, die bei Filmen wie »Transformers 3«, »Fluch der Karibik 4« oder »TRON: Legacy« zum Einsatz kamen.

4 Fazit
Nach all den Informationen gilt es immer noch die anfangs gestellte Leitfrage zu beantworten: Ist 3D diesmal hier, um zu bleiben?
Auch wenn Zukunftsprognosen wie diese nie eindeutig zu beantworten sind, lässt sich dennoch eine Annahme äußern.
Beachtet man, dass die Filmschaffenden seit jeher den Wunsch haben, ihre Filme in 3D darzustellen, und nun durch die Digitaltechnik erstmals eine ausreichende technische Grundlage dafür vorhanden ist, scheint die Antwort auf der Hand zu liegen: Ja, 3D ist diesmal hier, um zu bleiben.
Die technologische Entwicklung des Films strebte fortwährend danach, die menschlichen Sinne so anzusprechen, wie es auch die Wirklichkeit tut. Erst der Stummfilm in Schwarz-Weiß, dann der Tonfilm, daraufhin der Farbfilm und nun eben der stereoskopische Film. Das 3D passt in die bisherige filmgeschichtliche Entwicklung.
Durch die Bemühungen der Filmwirtschaft, Schwarzkopien Einhalt zu gebieten, hat die Einführung der 3D-Technologie sogar wirtschaftlichen Rückenwind.
Neben diesen Argumenten, die für den anhaltenden Trend von 3D-Filmen sprechen, dürfen nicht die Argumente vergessen werden, die dagegen sprechen. Allen voran Walter Murchs These, stereoskopische Darstellungen auf einer Leinwand wären prinzipiell für das menschliche Gehirn nicht verarbeitbar.
Dieses Problem jedoch kann umgangen werden, indem die Objekte, auf denen der Fokus liegt, auf Höhe der Leinwand angesiedelt werden. Die Augen können auf einen Punkt fokussieren und zusammenlaufen, so wie es dem menschlichen Sehen entspricht.
Weitere Probleme sind die technischen Beschränkungen (s. 2.1), gesundheitliche Probleme (s. 2.2) und überhöhte Preise (s. 2.3).
Die gesundheitlichen Auswirkungen treten besonders bei qualitativ minderwertigem 3D auf. Umgeht man bspw. wie eben beschrieben das Problem des unterschiedlichen Fokal- und Vergenzabstands, reduziert man bereits die körperlichen Implikationen.
Die technischen Beschränkungen, primär die notwendige Brille, sind ein tatsächlicher Nachteil gegenüber 2D-Filmen. Das 3D-Kino steckt jedoch noch in seinen Kinderschuhen und die Forschung an Autostereoskopie, also an Stereoskopie, die keinerlei Hilfsmittel benötigt, ist in vollem Gange. Es ist möglich, dass die technischen Beschränkungen zukünftig reduziert werden oder ganz verschwinden.
Dasselbe gilt für die hohen Preise für 3D-Vorführungen. 3D-Filme gelten noch immer als Neuheit. Die Nachfrage danach ist hoch und dementsprechend auch die Ticketpreise. Es ist wahrscheinlich, dass die Preise in Zukunft fallen werden. »Hopefully someday there will be so many 3D movies, prices will come down – which I think will be fair to the consumer.«, Steven Spielberg über die Preise für 3D-Kinovorführungen.

Bei all den Diskussionen über die neuartige Technologie, die einerseits als Heilsbringer für die Filmwirtschaft, andererseits als Destruktion des Kinoerlebnisses überhöht wird, ist zu beachten, dass wir noch immer am Beginn der Einführung dieser Technologie stehen. Wann immer etwas bedeutendes Neues auftrat, gab es große Kritikwellen. Wie im Fall des Tonfilms, bei dessen Einführung Kritik laut wurde, die der jetzigen sehr ähnelt.

Abb. 5: Flugblatt, das beim Aufkommen des Tonfilms tatsächlich existierte.

Wenn sich sowohl diese Kritik gelegt hat als auch die Euphorie der Filmbranche, und 3D nicht mehr in einer schnellen Nachkonvertierung aus Gründen des Profitstrebens in einen Film eingebaut wird und auch nicht aus Gründen der Effekthascherei, dann wird der produktive Einsatz von 3D einsetzen.
»I am certainly hoping that 3D gets to a point where people do not notice it. Because once they stop noticing it, it just becomes another tool and helps tell a story.«, Steven Spielberg.

5 Quellenverzeichnis
»‘Avatar‘ and 3D Films: the Extra ‚D‘ Stands for ‚Dollars‘«, gawker.com, 15.12.2009
»3-D-Kino: Nicht schlecht - nur wird mir schlecht!«, Spiegel Online, 29.03.2010
»3-D-Kino - Das geht uns zu nah«, sueddeutsche.de, 13.11.2011
»3D Re-Releases«, BoxOfficeMojo.com, 05.04.2012
»3D-Kino: Der zweite Anlauf in die dritte Dimension«, Faz.net, 30.07.2008
»All Time Worldwide Box Office Grosses«, BoxOfficeMojo.com, 03.04.2012
»Why 3D is about to break through«, BBC News, 29.01.2008
»Burton predicts ‚a lot of bad 3D movies‘«, New York Post, 22.03.2010
»Dante digs being busy once again«, Herald.ie, 21.09.2010
»How Copyright Industries Con Congress«, Cato @ Liberty, 03.01.2012
»List of 3-D films«, Wikipedia (english), abgerufen: 07.12.2011
»Meet The Cinematographer Who Pushed Werner Herzog To The Third Dimension«, Sabotage Times, 13.06.2011
»MindFood: Why 3D and Campy Movies Are Soulmates«, hollywood.com, 31.08.2011
»MPAA Statement On Strong Showing of Support For Stop Online Piracy Act«, MPAA.org, 16.12.2011
»Murch And Ebert‘s Misguided Malignment Of 3D«, techcrunch.com, 24.11.2011
»Production Video #4«, theHobbitBlog.com, 05.11.2011
»Regisseur gegen „Narnia 3“-3D-Konvertierung«, MovieJones.de, 16.04.2007
»Research Shows 3-D Movies, TV Can Cause Eye Strain, Headaches«, Voice Of America, 21.02.2010
»Are 3D movies, TV bad for your eyes?«, abc7news.com, 24.02.2010
»Roger Ebert: Why I Hate 3-D (And You Should Too)«, Daily Beast, 09.05.2010
»Sony CineAlta 4K SRX-R220 3D-Projektoren ziehen in deutsche CinemaxX-Kinos ein«, flimmerkisten.de, abgerufen: 08.04.2012
»Sopa battle hots up as US Congress debates piracy bill«, The Guardian, 15.12.2011
»Stereoskopie im Kino«, c‘t 16/08, abgerufen: 07.12.2012
»Steven Spielberg & Peter Jackson Rant About 3D Ticket Prices«, ScreenRant.com, 22.07.2011
»The Cost of Movie Piracy«, MPA piracy report auf archive.org, abgerufen: 04.12.2011
»The Trouble With 3D: Why Hollywood‘s Savior Could Be Bad For Movies«, CinemaBlend.com, 31.01.2010
»Übersicht 3D-Kinos in Deutschland«, kino.de, abgerufen: 08.12.2012
»What Radio Has Meant to Talking Movies«, AntiqueRadios.com, veröffentlicht: April 1931, abgerufen: 03.03.2012
»Why 3D doesn‘t work and never will. Case closed.«, Roger Ebert‘s Journal auf Chicago Sun-Times, 23.01.2011
»Why Are 3-D Movies So Bad«, NPR, 15.10.2010
»Wim Wenders über seinen Film „Pina“ – „Ich war wie vom Donner gerührt“«, WDR.de, 14.02.2011
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Oli
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Re: Hintergründe des 3D im Kino

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