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Niklas
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Joined: 06.11.2012, 11:48

Stereoskopie und 3D-Filme [DEUTSCH]

Post by Niklas » 06.11.2012, 12:32

Stereoskopie und 3D im Film

Einleitung und Wiederholung

Stereoskopie hat eine längere Geschichte, und ist definitiv nicht nur eine Erscheinung der Neuzeit. Erstmalig von Euklid benannt und erkannt, dass das linke und rechte Auge verschiedene Bilder wahrnehmen, resultierte daraus jedoch noch nicht die Erkenntnis, wie räumliches Sehen entsteht. Im Jahre 1930 hat Charles Wheatstone das Spiegelstereoskop erfunden, welches mit Hilfe der Erfindung der Fotografie erstmalig auch Portraits dreidimensional erscheinen lassen konnte.

Im letzten Jahrhundert wurde der Film durch verschiedene Erfindungen maßgeblich geprägt. Als Ton in den 20er Jahren den Stummfilm ablöste, gab es jedenfalls eine ähnlich große Revolution, als der Farbfilm den Schwarz-weißfilm ablöste.
3D scheint momentan sehr erfolgreich zu sein, jedoch ist es nicht das erste Mal, dass versucht wird, die 3. Dimension im Film zu etablieren. Bereits in den 50er Jahren gab es einen großen Hype. Es wurden massenweise 3D-Filme aufwendig produziert, und wurden nur mäßig von den Besuchern akzeptiert.

Doch mittlerweile scheint der Wandel wieder im vollen Gange zu sein. Es werden viele 3D-Filme produziert, die Besucherzahlen sprechen für 3D-Produktionen, auch wenn Filme nur nachträglich bearbeitet werden und nicht nativ in 3D gedreht werden und somit keine besonders gute Qualität liefern können. Die Industrie hat trotzdem teilweise noch Probleme, weil neben Mangel an Know-How auch die Technik deutlich teurer ist, und viele Arbeitsabläufe und Produktionen für 3D noch nicht ausgereift sind.

3D sollte mehr als nur eine rein visuelle Verbesserung sein. Ähnlich wie Mehrkanalsound sollte 3D den Zuschauer in den Film einbeziehen. Der 3D-Effekt sollte im besten Fall die Aufmerksamkeit des Betrachters lenken, optische Akzente setzen und natürlich im besten Fall die Handlung beeinflussen und unterstützen. Der Umgang mit Licht und Kamera am Set ist am wichtigsten und wird als Cinematographie beschrieben. Hier ist zu sagen, dass wirkungsvollerere Ergebnisse im dreidimensionalen Raum schnell erreicht werden können, der Aufwand aber oft unterschätzt wird. Ein entscheidender Punkt beim 3D-Film ist die Qualitätssicherung durch stetiges Testen. Hier sollte auch darauf geachtet werden, dass nicht nur oft, sondern auch im besten Fall auf großen Bildschirmen getestet wird.

Theorie des 3D Films

Um über 3D im Film genauer sprechen zu können, müssen Sie die Theorie verstehen, wie der dreidimensionale Effekt eigentlich erzielt wird.

Es gibt 3 verschiedene Ebenen: Die Vorder-, die Mittel- und die Hintergrundebene. Der am weitesten entfernte noch aufgenommene Punkt ist der Fernpunkt. Bei den meisten Aufnahmen ist dieser unendlich. Der Abstand vom Fernpunkt zur Kamera (bzw. zu den Augen) nennt man Fernpunktweite. Analog zum Fernpunkt gibt es den Nahpunkt. Dieser ist der naheste Punkt zur Kamera. Der Abstand von der Kamera bis zum Nahpunkt nennt man Nahpunktweite. Der Augen- bzw. der Kameraabstand wird als Basis oder als Stereobasis bezeichnet. Zu einem entfernt liegenden Objekt liegen die Sichtlinien parallel. Um ein Objekt auf der vorhin angedeuteten imaginären Fensterscheibe zu fixieren, müssen die Sichtlinien konvergieren. Wenn Bilder von den jeweiligen Standpunkten der beiden Augen bzw. der beiden Kameras gemacht werden, lässt sich die Szenerie rekonstruieren. Der Ort, wo die Bildpunkte vom linken und rechten Auge der beiden übereinander projizierten Bilder aufeinander fallen, nennt man Screenplane.

Es kann zu verschiedenen Effekten kommen, wie z.B. die parallaktische Verschiebung. Oft verlaufen die Blickwinkel parallel, das heißt, der Konvergenzwinkel beträgt 0°. Der Abstand der beiden Linien wird als parallaktische Verschiebung bezeichnet. In der Postproduktion können so nachträglich die Nah- und Fernpunkte zur Deckung gebracht werden, um so die Screenplane im Raum zu verschieben. Wenn die Fernpunkte zur Deckung gebracht werden, kommt die Szene vor die Leinwand. Wenn die Nahpunkte zur Deckung gebracht werden, wandert die Szene hinter die Leinwand.

Die Scheinfensterweite ist der Abstand von der Kamera zur Screenplane, und genau diese Länge lässt sich auch berechnen. Die richtigen Einstellungen erfordern nicht nur die richtige Berechnung, sondern auch die Wahl des passenden Objektivs. Als Beispiel, bei einem Objektiv mit variabler Brennweite, wird die Schaufensterweite verdoppelt, wenn auch die Brennweite verdoppelt wird. So muss bei Nahaufnahmen die Stereobasis verringert werden. Die plastische Wirkung wird z.B. auch durch einen größeren Zoom nicht erhöht, sondern eher durch eine Erhöhung der Stereobasis.

Ein paar Beispiele bei Aufnahmen: Wenn der Nahpunkt auf die Screenplane und der Fernpunkt unendlich abgebildet wird, wird die Raumtiefe an sich gedehnt. Dort gibt es eine erhöhte plastische Wirkung als beim natürlichen Sehen und kann so stark übertrieben werden. Bei einer Fernaufnahme kann der Fernpunkt auf die Leinwand gelegt werden um die Raumtiefe zu verringern. Die Tiefe streckt sich dann von der Leinwand bis ca. zur Hälfte des Betrachtungsabstandes.

Technik

Ein 3D-Film ist ein komplexes System, das in Abhängigkeit von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Die Herausforderung liegt natürlich ein optimales technisches Systeme zu den Anforderung des Films zu finden. Dabei gibt es grundsätzlich 2 verschiedene Kameraarten, die im stereoskopischen Film eingesetzt werden. Einmal Side-By-Side Rigs und einmal Spiegelrigs. Side-By-Side Rigs bestehen aus einer Linearschiene, auf der 2 Kameras frei bewegbar positioniert werden können. Die Stellung der Kameras zueinander kann eingestellt werden, so dass die Blickwinkel konvergieren oder parallel laufen können. Die Kameras lassen sich neben einer manuellen Möglichkeit natürlich auch synchron steuern. Im professionellem Bereich werden motorisierte Kamera Rigs eingesetzt. Der Nachteil ist jedoch, dass die Kameras sich nicht beliebig dicht nebeneinander platzieren lassen, wodurch sich eine erhöhte Scheinfensterweite entwickelt. Nahaufnahmen sind somit mit Side-By-Side Rigs nicht wirklich realisierbar. Daher kommen wir zum zweiten System, der Spiegelrigs. Diese sind rechtwinklig zueinander montiert, die Kameras stehen im rechten Winkel zueinander und zeigen auf im 45° Winkel geneigtem Spiegel. Dadurch können die Kameras dichter positioniert werden, wodurch sogar Makroaufnahmen möglich sind. Im professionellem Segment sind diese Art von Kameras auch Standard. Hier liegen die Nachteile in der Spiegeltechnik. Diese verschmutzen leicht oder bekommen Kratzer, weswegen diese oft und regelmäßig gereinigt werden müssen, um ein saubereres und klares Bild produzieren zu können.

Wenn mehrere Kameras verwendet werden muss auch gewährleistet werden, dass eine Verbindung bzw. Kommunikationen zwischen diesen bestehen kann. Dafür entwickelte Sony ein Protokoll namens LANC, mit dem Kameras miteinander kommunizieren können. Dabei sollen die Kameras nicht nur synchron laufen, sondern die aufgenommenen Bilder der jeweiligen Kameras sollten gleichlaufend sein, was mit Hilfe von Genlocking ermöglicht wird.

Während laufenden Aufnahmen können Konvergenz und Basis verändert werden, um das Bild zu beeinflussen. Oft sind diese beiden Parameter gekoppelt und gleichzeitig steuerbar. Im Film wird oft parallel gedreht, um später die Konvergenz in der Postproduktion zu regeln. Ebenfalls sollte der Zoom nicht eingesetzt werden um zu vermeiden, dass die Objekte im Raum abflachen. Die Tiefe bleibt an sich erhalten, die Objekte verlieren dafür aber an Tiefe. Bei starker Konvergenz der Kameras wird eine starke Tiefenunschärfe erzeugt. Als Faustregel ist noch zu merken, das je größer der Abstand vom Nah- zu Fernpunkt ist, desto unangenehmer ist das Bild für den Zuschauer. Um diesen Effekt zu vermeiden, sollten auf den Strecken einzelne Objekte platziert werden, damit der Zuschauer angenehmer und schneller den Tiefeneffekt erkennen und annehmen kann.

Preproduction

Die Erwartungen an 3D Filmen sind heute höher als vor 60 Jahren. Es wird mehr erwartet als blanke Effekt-Hascherei. Deswegen sollten sich vorher genügend Gedanken gemacht werden, wie der Film wirken soll, und welche Stilmittel benutzt werden und welche Effekte den Film erweitern sollen. Im Beispiel dafür gibt es die so genannte Depth Chart, in der eingetragen wird, welche Tiefen grob eingehalten werden sollen, sowie Nah- und Fernpunkte und dessen Raumpositionen. Nahaufnahmen sind z.B. nicht so möglich wie im 2D-Film. Um hier eine Stereoscopic Window Violation zu vermeiden, sollten keine Objekte im Anschitt gefilmt werden. Hintergründe sollten auch nicht einfarbig und matt sein, da diese Art von Hintergründe dem Zuschauer den Tiefeneffekt erschweren.

Postproduction

Ein guter Schnitt ist für jeden Film essentiell, ob 2D oder 3D. Der Schnitt beeinflusst Dinge wie Spannung, Atmosphäre und Intensität. Im dreidimensionalen Film gibt es aber verschiedene Konzepte das Material zu schneiden. Im ersten Fall wird der 3D-Film erst einmal wie 2D-Material geschnitten. Erst nach dem Rohschnitt wird der Film gestaltet und die 3D-Effekte reguliert. Diese Art und Weise wird oft bei Filmen eingesetzt, die erst im späteren Produktionsverlauf auf 3D umgestellt werden. Der andere Schnittansatz ist genau gegenteilig. Hier wird der gesamte Schnitt anhand stereoskopischer Grundsätze durchgeführt, und der Tiefeneindruck wird hier genaustens abgestimmt. Die Filmindustrie ist sich noch nicht einig welche die effektivste Methode ist, es scheint aber klar zu sein, dass ein nativer 3D Schnitt immer besser ist, dafür aber mehr Zeit in Anspruch nimmt, und eventuell den Cutter durch einige Vorgaben mehr einschränkt.

Es gibt weitere Unterschiede zwischen 2D- und 3D-Filmen in der Postproduktion. Beispielsweise werden im 2D-Film Crossfade Überblendungen nicht besonders gern genommen, im 3D dafür besonders gerne. Grund dafür ist, den Zuschauer nicht ruckartig in eine neue Szenerie mit vielleicht anderem Tiefenpunkt zu drängen, sondern diesen schonend in das neue Bild zu bekommen. Bei Crossfade Überblendungen kann der Tiefeneindruck weicher und angenehmer wirken. Trotzdem ist zu sagen, das die Depth Continuity immer eingehalten werden muss. Diese besagt, dass zwischen verschiedenen Szenen der Konvergenzpunkt sich nicht stark unterscheiden darf.

Ein weiterer Aspekt im Film ist der Sound. Auch hier gibt es verschiedene Ansätze der Soundgestaltung im dreidimensionalen Film. Grund ist, dass die Objekte im 3D-Film teilweise je nach Zuschauerposition anders im Raum stehen können. Daher ist der 3D-Sound schwerer zu realisieren. Deswegen wird oft der Frontsound auf die Screenplane konzentriert. Thierry Barbier vertritt auch den Standpunkt, dass im 3D-Film der hintere Sound lauter und prägnanter sein muss, als im klassischen 2D-Film. Dadurch würde der Raum an sich stärker wahrgenommen werden, und der 3D-Effekt hätte eine größere Wirkung.

Zum Schluss noch ein Standard Workflow für die Bearbeitung von 3D-Material. Zuerst wird der Film synchronisiert, falls die Kameras nicht genaustens synchronisiert wurden. Danach wird das Material gesichtet, geschnitten und in 3D konvertiert. Folgend wird der 3D Effekt bearbeitet und zum Schluss gemastert.

Niklas Teich
Medieninformatik und Gestaltung
Uni Bielefeld, WS12/13
3D Visualization


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Quellen
» Stereoskopie und 3D-Filme, Workflow-Optimierungen im Konsumerbereich, Tobias Keip
VDM Verlag Dr. Müller GmBH & Co. KG, ISBN 978-3-639-30519-7
Attachments
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stereoskopie_und_3d_filme.pdf
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